Bildungsformen
Die Bildungsprozesse eines Menschen umfassen die kontinuierliche Entwicklung von Fähigkeiten und die Erweiterung seines Wissens im Laufe seines Lebens. Sie realisieren sich an verschiedenen Bildungsorten und in vielfältigen Lernwelten. Im Hinblick auf den Grad der Formalisierung kann zwischen drei Bildungsformen unterschieden werden:
- formeller (auch formaler) Bildung,
- nicht formeller (auch non-formaler) Bildung und
- informeller Bildung.
„Unter formeller Bildung wird das gesamte hierarchisch strukturierte und zeitlich aufeinander aufbauende Schul-, Ausbildungs- und Hochschulsystem gefasst, mit weitgehend verpflichtendem Charakter und unvermeidlichen Leistungszertifikaten. Unter nicht formeller Bildung ist jede Form organisierter Bildung und Erziehung zu verstehen, die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat. Unter informeller Bildung werden ungeplante und nicht intendierte Bildungsprozesse verstanden, die sich im Alltag von Familie, Nachbarschaft, Arbeit und Freizeit ergeben, aber auch fehlen können. Sie sind zugleich unverzichtbare Voraussetzungen und ‚Grundton‘, auf dem formelle und nicht formelle Bildungsprozesse aufbauen.“ (1)
Damit Bildung im umfassenden Sinne angemessen verstanden werden kann, muss das Zusammenspiel der unterschiedlichen Bildungsorte und Lernwelten und der dabei stattfindenden formalen, non-formalen und informellen Bildungsprozesse über die gesamte Lebensdauer in den Blick genommen werden. Im Verlauf einer Bildungsbiografie kommt es in der Regel zu einer Akkumulation – und somit einer Verstärkung - gelingender wie misslingender Bildungsprozesse. Damit stellt sich die Frage nach den sozialen, also den nicht-genetischen oder individuellen Ursachen für negativ verlaufende Bildungsbiografien und den Gelingensfaktoren für erfolgreiche Bildungsbiografien. (2)
Alltagsbildung, die in non-formalen und informellen Bildungswelten stattfindet, kann als Voraussetzung formaler Bildung im Bildungswesen aufgefasst werden: Ob Kinder und Jugendliche die notwendigen Kompetenzen erwerben, um in einer Gesellschaft orientierungs- und handlungsfähig zu bleiben und im formalen Bildungssystem zu bestehen, hängt stark von ihrem Zugang zu Alltagsbildung ab. Damit wächst jedoch das Risiko einer sozialen Spaltung, da herkunftsbedingte und schulisch stabilisierte soziale Ungleichheiten in der Gesellschaft nicht nur aufrechterhalten, sondern oft sogar noch verschärft werden: Während ein Teil der Kinder und Jugendlichen zahlreiche Möglichkeiten hat, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten im alltäglichen Leben durch vielfältige Angebote zu erweitern, mangelt es gleichzeitig einem anderen Teil von jungen Menschen an den Zugängen zu schulergänzenden Lernsettings. Um in der Bundesrepublik Deutschland mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung zu erreichen, muss das Verhältnis und Zusammenspiel zwischen formaler, non-formaler und informeller Bildung bzw. Alltagsbildung neu gestaltet werden. Denn die Qualität und das Maß an gelingender Alltagsbildung sind entscheidend für die Chance, allen Kindern und Jugendlichen die Vielfalt von Bildungsinhalten und -kompetenzen, Bildungsorten und Lernwelten zu erschließen. (3)
Quellen:
(1) Bundesjugendkuratorium: Zukunftsfähigkeit sichern! – Für ein neues Verhältnis von Bildung und Jugendhilfe. Eine Streitschrift des Bundesjugendkuratoriums. In: Richard Münchmeier/Hans-Uwe Otto/Ursula Rabe-Kleberg (Hrsg.): Bildung und Lebenskompetenz. Kinder- und Jugendhilfe vor neuen Aufgaben. Opladen 2002, S. 5.
(2) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Stellungnahme der Bundesregierung. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Berlin 2006, S. 32f.
(3) Thomas Rauschenbach: Bildungsorte – Lernwelten. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Dossier Bildung, 9.9.2013, URL: http://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunft-bildung/149483/alltagsbildung?p=all (Zugriff: 25.3.2018).